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Der Maler Eberhard Witte

Eberhard Witte, im Dezember 1921 in Essen geboren und später in Berlin lebend , hat sich schon in der Schule intensiv mit Zeichnen und Malen beschäftigt. Jedoch erst in der französischen Kriegsgefangenschaft wurde er von einem Mitgefangenen und späteren Freund, dem Maler Stefan Breuling, zur abstrakten Malerei angeregt und in die Sehweise dieser Kunstrichtung eingeweiht. Einer Malweise, die einmal von dem Maler Wassily Kandinsky eingeleitet wurde.

In Witte, der nicht akademischer Maler , sondern Autodidakt ist, sicherlich ein für ihn positiver Aspekt, offenbart sich ein ernstzunehmender Künstler, der beim Suchen nach seiner Selbstverwirklichung einen weiten Weg von der impressionistischen bis hin zur abstrakten oder gegenstandslosen Malweise gegangen ist. Dieser Weg war nur gangbar, indem er durch eine sichere Existenz begleitet wurde. Das Malen bedeutet für ihn ein ständiges Sich-Selbst-Überprüfen, diese Welt immer wieder neu zu erkennen, neue visuelle Entdeckungen zu machen sowie ein sich ständig wieder Hineintasten in die Empfindungsskala der Farben, Formen und Strukturen.

Nie strebte er spektakuläre Erfolge an, wehrte sich, wie ich meine, mit Erfolg gegen den möglicherweise latent vorhandenen Publikumsgeschmack, sondern suchte in aller Stille immer wieder nach neuen Ausdrucksformen, die es ihm ermöglichten, „seine Welt“ ins Bild zu setzen. 

Diesen experimentierfreudigen Maler auf eine Stilrichtung festzulegen, fällt sicherlich schwer, obwohl er den „Abstrakten“ zuzurechnen ist. Eigentlich, so sagt er, male ich nur für mich. Jedes Bild ist ein Teil meiner Gedankenwelt. Ist das Bild fertig, so ist dieser Gedanke abgeschlossen, und ich wende mich schon wieder neuen Gedanken zu. Das Malen ist für mich der eigentliche Prozess der Selbstbesinnung, des sich Auseinandersetzens und des Suchens der für diesen Gedanken geeigneten Formen, Farben und Strukturen. Es ist das Bemühen, die Wirklichkeit der uns umgebenden Welt zu seelischem Ausdruck und Abstrakt-Gleichnishaftem umzuformen und tragfähig zu machen für etwas Schöpferisches, bislang nicht Vorhandenes.

Wittes Bilder, die ihren eigenen Zauber in sich tragen, sind von ästhetischem Reiz. Es wird deutlich, dass sich hier ein Maler in langen Jahren intensiven Suchens und sich Bemühens zu einem reifen Künstler entwickelt hat. Viele seiner in früheren Jahren gemalten Bilder sind der impressionistischen Stilrichtung zuzuordnen, obwohl er eigentlicher Impressionist nie war. Landschaften, Stadtansichten, Blumen, Gräser sind häufig wiederzufindende Motive. Besonders angeregt hat ihn die Landschaft in Nord-Dänemark, wohin ihn viele Reisen geführt haben.

In der weiteren Entwicklung sind Anlehnungen an den abstrakten Expressionismus erkennbar. Das Detail wird immer stärker unterdrückt, der Gesamteindruck, die Faszination der Landschaft erfasst. Der Maler nimmt hier Erscheinungen wahr und versucht, ihre Wirklichkeit erkennbar zu machen, indem er sie nach inneren Beziehungen ordnet. Aber gerade in der bewussten Abstraktion, in der Reduktion auf eine malerische Vision, kehrt hier der Künstler selbst in das Bild zurück. Hier ist das Bild ein Teil vom Ich geworden und nicht reine Bestandsaufnahme der realen Umwelt. Nicht der einzelne Gegenstand interessiert, sondern seine Gesamterscheinung, der Reiz von Licht und Schatten, der Reiz einer flüchtigen Bewegung, der Augenblick und die Empfindung.

Witte geht jedoch in den meisten seiner früheren Arbeiten nicht so weit, wie es die „konkreten“ Künstler oft forderten, dass jede Assoziation zu Naturformen ausgeschlossen ist. Ab 1975 werden seine Arbeiten immer strukturbetonter, bis schließlich nur noch die Struktur bleibt. Strukturen von Steinen, Mauerwerk, verwittertem Holz, Dinge aus der Umwelt, die häufig unbeobachtet bleiben, regen ihn immer wieder zu neuem Schaffen an. Nicht nur Farben, sondern Fremdmaterialien wie Gips, Sägespäne, Sand, werden in die Bildgestaltung mit einbezogen und ergeben eine neue tastbare Stofflichkeit. Durch Erhebungen und Vertiefungen ergeben sich neue Strukturelemente. Die Bilder „Steinfelsen“, „Sandsteinfelsen“, „Felsstrukturen“, und „Die drei Schichten“ (alle 1976) sind Zeugen dafür. Diese, in einer Stilrichtung, die man als „art informel“ bezeichnet, gemalten Bilder sind für mich die reifsten, die Witte bisher schuf. Es ist nicht etwa Abbild von Realität, sondern Sprache von innen heraus empfunden und in Farben, Formen und Strukturen umgesetzt. Der Begriff „art informel“ wurde erstmals Anfag der fünfziger jahre von dem Pariser Michel Tapie verwendet. Er soll auf eine bestimmtre Art der nichtgeometrischen abstrakten Kunst bezogen werden, bei der neben pastosem Farbauftrag andere Materialien in den Gestaltungsprozess integriert werden.

Die von ihm gemalten Helmstedtmotive lassen sich in diese Entwicklungsphase jedoch nicht einordnen. Hier scheint der allgemeine Publikumsgeschmack der Helmstedt Bürder doch etwas mitgeholfen zu haben. Ganz im Gegensatz dazu trennte er sich in den letzten Jahren immer mehr von der realen Umwelt und kommt zum Spiel mit grafischen Formen und Farben. Die von früher her bekannte Farbigkeit wird oft stark zurückgenommen. Es entstehen Bilder mit gedämpften und gebrochenen Tönen, die einen sensiblen Umgang mit Farbe aufzeigen. Diese Bilder in grafisch-flächiger Formensprache, fast monochrom oder zumindest in der Farbigkeit reduziert, lassen sich der „meditativen Malerei“ zuordnen. Hier erinnert nichts mehr an Vorbilder aus der realen Umwelt. Farben und Formen werden in eine ordnende, konstruktive Bildsprache umgesetzt, die in einem meditativen Prozess aus dem Ich geboren wird. Hier zeigt sich ein Künstler, der die Farb- und Formensprache sicher und gekonnt einzusetzen vermag.

Eberhard Witte ist ein fleissiger Maler. Seine Bilder zieren in vielen Städten und Ländern die Räume Öffentlicher Gebäude und privater Wohnungen, obwohl – so meint er – seine Bilder sicher nicht in jede Umgebung passen, es gehört auch der Mensch dazu, der seine Bilder zu lesen vermag.

Prof. D. Kortegast, 
Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig (1980)

Von Anfang der achtziger Jahre bis Ende 2000 leitete Eberhard Witte die Galerie 333 und den unterstützenden Förderkreis Bildende Kunst e.V. im Rahmen des Helmstedter Kulturvereins.

Eberhard Witte starb am 30.12.2010 in Helmstedt.