Wolfgang Witte
 


Ein Besuch in 2120 S. Michigan Ave – Blues Heaven Foundation –

Chess-Records: Wer sich für die Blues-Wurzeln der heutigen populären Musik interessiert, wird aufhorchen. Die von außen eher unscheinbaren Gebäude an der S. Michigan Avenue in Chicagos schwarzen Süden sind für die Entwicklung der heutigen populären Musik von größter Bedeutung. In dem Tonstudio der aus Polen stammenden Brüder Phil und Leonard Chess wurden in den fünfziger und sechziger Jahren viele der Musiktitel von Muddy Waters, Chuck Berry, Howlin Wolf, Willie Dixon, Koko Taylor, Otis Rush, Dizzy Gillespie, Bo Diddley und vieler anderer aufgenommen. In diesen Jahren war Chess Records die wichtigste Blues-Plattenfirma Amerikas, vor allem sorgte sie für Verbreitung des gitarrendominierten elektrisch verstärkten Sound des Chicago Blues. Ob Rolling Stones, Fleetwood Mac, Animals, Cream – nahezu alle Rockbands der sechziger und siebziger Jahre haben sich an der Musik orientiert, die hier produziert wurde. Einige haben das Studio für eigene Aufnahmen genutzt. Die Rolling Stones nannten sogar ein Instrumental nach der obigen Adresse.

Seit 1993 ist das Gebäude im Besitz der ”Blues Heaven Foundation”, heute ist es auch ihr Sitz. Wochentags zwischen 12 und 14 Uhr kann es besichtigt werden. Die 10 Dollar Eintritt gehen an die Stiftung. Die freundliche Elisa A. Suehs, eine Texanerin mit elsässischen Wurzeln und selbst Blues-Sängerin empfängt die Besucher, betreut den Merchandising Store und leitet die Führung. Zur Einstimmung gibt es einen kurzen Videofilm mit Informationen über Blues, die Chess Studios und die Foundation. Zahlreiche Musikerinnen wie Buddy Guy und Koko Taylor kommen zu Wort. Dann geht es die schmale Treppe hinauf (unrenoviert: diese Stufen beschritten schon viele Größen). Oben befinden sich der frühere Aufnahmeraum, der Kontrollraum und ein Raum, in dem die Schallplatten gepreßt wurden. Nach den Jahren des Niedergangs und der zweifellos notwendigen Renovierung lassen die Räume leider nicht mehr viel der früheren Zeiten erkennen, Tonstudiogeräte und Einbauten sind kaum noch vorhanden. Fotos der früher hier arbeitenden Künstler zeugen von dem früheren musikalischen Leben in diesen Räumen. Trotzdem bleibt sehenswertes zu entdecken. Die akustische Architektur von Jack Wiener, die wesentlich den einzigartigen Raumklang des Studios bestimmt hat, ist noch gut zu erkennen. An einer Stelle befindet sich ein verglaste Wandöffnung, so dass man auch die doppelte Mauerung mit Isolierungskern gut erkennen kann. Über Durchbrüche im Kontrollraum ist noch die frühere Verbindung zum Hallraum zu erkennen. In ihm soll Chuck Berry auch einige Zeit gewohnt haben. Überhaupt die Geschichten: Als die Rolling Stones Mitte der sechziger Jahre das Studio besuchten, trafen sie Muddy Waters in Malerkleidung an. Sie konnten es nicht fassen, dass ihr Idol in den Chess-Studies Malerarbeiten verrichtete. Elisa betont allerdings, dass Muddy damals sein eigenes Haus renovierte und nur mal eben vorbei gekommen wäre. Etwas irritierend ist, dass ein Raum der Präsentation von Yamaha-Gitarren dient, was für die meisten Blues Fan ein Sakrileg ist. Aber: Yamaha fördert die Foundation und die guten Zwecke sind schließlich wichtiger als nostalgische Gefühle. Zurück im Eingangsbereich gibt die Möglichkeit, T-Shirts, CDs Videos u.v.m. über Blues, Chess und die Stiftung zu erwerben. Die Erlöse kommen der Foundation zugute.

Mit Stolz wird auch auf den ”Bluesgarten” hingewiesen. Auf dem früher verwilderten Nachbargrundstück ist eine kleine Gartenanlage entstanden, in der im Sommer auch Veranstaltungen und Konzerte stattfinden. Der Garten ist auch von großer Bedeutung für die Nachbarschaft. Das Gebäude befindet sich nämlich in einer Gegend mit zahlreichen Industriebrachen und verlassenen Wohn- und Geschäftsgebäuden. Da ist die Pflege von Gebäuden und Grundstücken besonders wichtig.

Die ”Blues Heaven Foundation” wurde von dem Chess-Chefproduzenten und Autor unzähligen Blues Klassiker Willie Dixon (Spoonful, Wang Dang Doodle, The Red Rooster) gegründet und dient der Förderung afro-amerkanischer Musikkultur, insbesondere des Blues. Seine Witwe Marie Dixon ermöglichte den Erwerb des früheren Chess-Gebäudes durch die Foundation. Schwerpunkte der Stiftung sind:

- Forschungsstipendien für Wissenschaftler, die sich mit Musik, Musikerziehung, Erforschung der afro-amerikanischen Kultur, der Auftrittskunst (Performing Arts), des Kulturmanagements und Medien befassen. Die Stipendien sind nach berühmten Bluesmusikerinnen und Bluesmusikern wie John Lee Hooker, Koko Taylor, Muddy Waters, Albert King benannt.

- Das ”American Blues Children” Programm, dass Schulkindern Musikinstrumente stiftet und die musikalische Bildung fördert. Hiermit wird besonders an das Wirken von Willie Dixon in seinen letzten Lebensjahren angeknüpft, wobei es ihm um die Vermittlung afroamerikanischer Musikkultur an Kinder und Jugendliche ging.

- Emergency Assistance unterstützt notleidende, insbesondere ältere Bluesmusikerinnen und Bluesmusiker.

- Eine Wanderausstellung über die Geschichte des Blues, die gegenwärtig etwa 75 Künstlerbiografien präsentiert.

- Die ”Royalty Recovery & Legal Assistance Workshops” kümmern sich um die Klärung von Urheberrechts- und Tantiemenfragen von Musikern.

- Das ”STEPS”-Programm unterstützt Blues-Künstlerinnen und -Künstler bei der Karriere-Planung.

Anschrift:
Blues Heaven Foundation Inc., 2120 S. Michigan Avenue, Chicago, Illinois 60616, Tel: (312) 808-1286, 
Fax (312) 808-0273, 
e-mail: Blueshvn@aol.com , 
web: www.BluesHeaven.com
Besichtigungszeiten sind Wochentags von 12 – 14 Uhr. 
Erreichbar mit der Buslinie 3.