Wolfgang Witte
Medienbildung und Qualitätsentwicklung
Die Entwicklung von Konzepten und Handlungsorientierungen haben in Jugendarbeit und Medienpädagogik nicht nur in Berlin eine langjährige Tradition, wobei sich beide Bereiche zwar eigenständig, aber auch vielfach miteinander verknüpft entwickelten. Erinnert sei hier z.B. an die handlungsorientierte politisch motivierte Medienarbeit des Jugendfilmstudios, die in engem Kontext der außerschulischer Bildung stand, an die vielgestaltigen Angebote der medienbezogenen kulturellen Kinder- und Jugendbildung und die zahlreichen Medienprojekte der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Die Zunahme des Medieneinsatzes in der Jugendarbeit während der neunziger Jahre, die ebenso der Verbreitung der neuen Medien als auch zusätzlichen Fördermöglichkeiten, insbesondere durch AFG-geförderte ABM, LKZ und SAM-Maßnahmen(1) , zu verdanken ist, ermöglichte zahlreiche neue Projekte der Medienarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Ein sehr großer Teil dieser Angebote orientierte sich konzeptionell jedoch kaum an den Konzepten der bisherigen – westdeutschen – Jugendarbeit, sondern fand in unterschiedlichen situativen Kontexten oft vor dem Hintergrund künstlerischer und medientechnischer Ausbildungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eigenständige Begründungen. Die Zunahme an medienbezogenen Angeboten mit Kindern und Jugendlichen, die häufig nur lose mit dem Fachdiskurs der Medienpädagogik z.B. im Rahmen der GMK(2) verbunden war und eine Trägervielfalt, die oftmals mehr durch Rivalität als durch Kooperation miteinander verbunden war, führte Ende der neunziger Jahre bei zahlreichen Trägern, bei der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung e.V. (LKJ) und bei Jugendbehörden zu der Überzeugung, dass dieses wichtige Handlungsfeld der Jugendarbeit in einer eigenständigen Organisationsform zusammengefasst werde sollte, um einerseits intern an der eigenen Fachlichkeit zu arbeiten aber auch, um nach außen, gegenüber Verwaltungen und anderen steuernden Institutionen eine Lobbyarbeit leisten zu können. Hieraus entstand dann 1997 die LAG Medienarbeit e.V. , die von nun an als Verband medienpädagogischer Einrichtungen das Arbeitsfeld repräsentierte. Zwei Fachtagungen 1998 und 1999 sowie die Tagung 2002, die die vorliegende Broschüre dokumentiert, zeigen die Bandbreite und Tiefe der konzeptionellen Arbeit der LAG. Als Nebeneffekt muss auch hervorgehoben werden, dass die kooperativen Beziehungen zwischen den Trägern die Atmosphäre und das Klima zwischen den Einrichtungen deutlich verbesserten. Ein weiterer Schritt hin zu einer konzeptionellen fachlichen Verständigung stellte die Einrichtung der Arbeitsgemeinschaft nach § 78 SGB VIII durch den Landesjugendhilfeausschuss im Herbst 2000 dar. Auftrag dieser AG war – und ist – die Erstellung einer Rahmenkonzeption für die Medienbildung/Medienerziehung der Berliner Jugendhilfe unter besonderer Berücksichtigung der „Neuen Medien“ und der Kooperation mit dem Schulbereich. Eine aktuelle Notwendigkeit für diese AG ergab sich aus der damals stattfindenden Entwicklung des Förderprogramms jugendnetz-berlin.de, wofür die AG im ersten Jahr ihrer Tätigkeit konzeptionelle Grundlagen erarbeitete. Später folgten dann grundsätzliche Aussagen zur Förderung von Medienkompetenz im Rahmen der Jugendhilfe. Bei diesen Arbeiten wurde zunehmend klar, dass es für eine Verbesserung der Fachlichkeit der Medienbildung nicht ausreicht, allgemeine Feststellungen zur Förderung von Medienkompetenz zu treffen oder es bei der Beschreibung von best practise-Beispielen zu belassen. Es setzte sich die Auffassung durch, dass es am besten wäre, die Anforderungen der Medienkompetenzförderung möglichst mit der Arbeit in den Einrichtungen der Jugendarbeit zu verknüpfen und Qualitätskriterien, wodurch diese Ziele erreicht werden können, anzugeben. Auf jeden Fall sollte vermieden werden, einen Text zu produzieren, der mit den Strukturen der Jugendarbeit und den Einrichtungen nicht verbunden ist und deshalb wirkungslos bleiben würde. Dieser Anspruch qualitätsorientierter Konzeptionsentwicklung konnte bislang am deutlichsten für den Aufgabenbereich Jugendarbeit gem. § 11 SGB VIII(3) umgesetzt werden. Eine Unterarbeitsgruppe der AG nach § 78 SGB VIII erstellte – verbunden mit einem intensiven Verständigungsprozess zwischen den Beteiligten - einen Text, der die Zielgruppendefinitionen, Handlungsorientierungen, Ausstattungsanforderungen und fachlich-personellen Anforderungen für die Förderung von Medienkompetenz im Rahmen der Jugendarbeit im einzelnen ausführte, mit Qualitätskriterien verband und exemplarisch Vorschläge für Indikatoren zur fachlichen (Selbst-) Evaluation in den Einrichtungen der Jugendarbeit machte. Es ist ein zentrales Anliegen dieses Textes, den in der Jugendarbeit medienpädagogisch Tätigen – die, wie oben ausgeführt, nicht immer über eine Fachausbildung für die Jugendarbeit verfügen – leicht nachvollziehbare konzeptionelle Orientierungen zu bieten. Wichtige Anregungen bei der Erarbeitung des Textes lieferten die Erfahrungen des Qualitätszirkels zur Medienarbeit im Bezirksamt Neukölln und die Ergebnisse der Projektgruppe WANJA der Universität Siegen(4). Im Dezember 2002 wurde der Textbeitrag zur Förderung von Medienkompetenz in der Berliner Jugendarbeit durch den Landesjugendhilfeausschuss zustimmend zur Kenntnis genommen und liegt den Berliner Bezirken und Trägern der Jugendarbeit als Empfehlung vor. Gegenwärtig werden durch die AG nach § 78 SGB VIII weitere Empfehlungen zur Medienkompetenzförderung für die Aufgabenbereiche Kita/Tagesbetreuung, erzieherischer Kinder- und Jugendschutz, Jugendsozialarbeit/Jugendberufshilfe, Familienbildung, Jugendberatung, Kooperation Schule-Jugendhilfe(5) erstellt. Die Ergebnisse der AG § 78 Medienbildung/Medienerziehung gingen auch ein in die parallel stattfindende Entwicklung des Förderprogramms jugendnetz-berlin.de. Hierbei entstanden in allen Berliner Bezirken Medienkompetenzzentren, deren Aufgabe es ist, die Jugendfreizeitstätten in ihrem Bezirk bei der Arbeit mit Medien, insbesondere Neuen Medien zu beraten. Die Ergebnisse der AG haben Anteil daran, dass diese Beratung neben dem notwendigen technischen Support auch eine konzeptionelle medienpädagogische Qualität bieten kann. Seit 2001 verstärkte sich innerhalb der Berliner Jugendämter und des Landesjugendamtes die Absicht eine berlinweite Initiative zur Qualitätsentwicklung der Jugendarbeit durchzuführen. Inspiriert durch das erwähnte WANJA-Projekt und das Modellvorhaben zum Kommunalen Wirksamkeitsdialog in Nordrhein-Westfalen wurde das Berliner Modellprojekt „Qualitätsentwicklung der Berliner Jugendarbeit“ Anfang 2001 eingerichtet(6). Auf drei Ebenen sollen – zunächst für die ca. 500 Berliner Jugendfreizeitstätten - Ergebnisse erarbeitet werden: 1. Für die wesentlichen Angebotsschwerpunkte der Offenen Kinder- und Jugendarbeit werden Kernaktivitäten herausgearbeitet sowie Ziele, Qualitätskriterien und Indikatoren beschrieben. Diese Beschreibungen werden in erster Linie zur Selbstevaluation und Konzeptionsentwicklung der Jugendfreizeitstätten eingesetzt werden. Sie sollen hierbei einerseits den Einrichtungen Orientierung bieten und andererseits „nach außen“, also gegenüber jugendpolitischen Steuerungsebenen und Kooperationspartnern wie z.B. Schule Ziele und Methoden der Praxis der Jugendarbeit verdeutlichen. 2. Es soll in einem zweiten Schritt ein abgestimmtes Berichtswesen für die Berliner Jugendarbeit erstellt werden, das die bisherigen Sachberichte, Zielvereinbarungen, qualitativen und quantitativen Erhebungen zusammenführt und für dialogische Auswertungen nutzbar macht. 3. Im dritten Schritt soll das Modell eines „kommunalen Wirksamkeitsdialoges“ erarbeitet werden. An dem Modellprojekt sind gegenwärtig sieben Berliner Bezirke mit ca. 25 Jugendfreizeitstätten in freier und öffentlicher Trägerschaft aktiv beteiligt, deren Arbeit durch eine Projektgruppe koordiniert wird(7). Deren Ergebnisse werden einer „Abstimmungsgruppe“ vorgelegt, in der alle Berliner Jugendämter und sieben Vertreter freier Träger mitarbeiten. In einem weiteren, abschließenden Schritt sollen die Ergebnisse durch die Arbeitsgemeinschaft der Berliner Öffentlichen Jugendhilfe (AG BÖJ) bestätigt werden. Gegenwärtig findet die Bearbeitung der ersten drei Angebotsschwerpunkte „Offener Bereich der Jugendfreizeitstätten“, „Partizipative Kinder- und Jugendarbeit“ und „Medienpädagogische Angebote“ statt(8) . Jeder Schwerpunkt wird durch mindestens zwei Einrichtungen freier und öffentlicher Träger aus mindestens zwei Bezirken untersucht und beschrieben. Der Schwerpunkt „Medienpädagogische Angebote“ wird durch die Bezirke Neukölln und Tempelhof-Schöneberg bearbeitet. Auch hier bieten die Ergebnisse der oben beschriebenen AG § 78 eine Orientierung. Der entscheidende Unterschied und der angestrebte Fortschritt im Rahmen des Modellprojektes „Qualitätsentwicklung der Berliner Jugendarbeit“ liegt jedoch darin, dass hier die zentralen Kernaktivitäten des medienpädagogischen Handelns untersucht und mit Qualitätskriterien, Zielbeschreibungen und Indikatoren abgebildet werden, also nicht nur Zieldefinitionen der Jugendarbeit auf das praktisch-pädagogische Handeln „herunterdekliniert“ werden. Zu erwarten ist, dass mit den Ergebnissen des Modellprojektes ein weiterer Schritt in Richtung Praxistauglichkeit medienpädagogischer Konzepte geleistet wird. Auch wenn die WANJA-Projektgruppe wichtige Anstöße für das Zustandekommen des Modellprojektes gegeben hat, haben sich mittlerweile auch wichtige Unterschiede ergeben. Während die WANJA-Ergebnisse auf einer wissenschaftlichen Erforschung des Arbeitsfeldes basieren, entstehen die Ergebnisse des Berliner Modellprojektes durch einen dialogischen interinstitutionellen Verständigungsprozess. Alle Ebenen der Jugendarbeit – Beschäftigte der Jugendfreizeitstätten, Jugendämter, freie Träger, Landesjugendamt und Oberste Landesjugendbehörde – sind hier einbezogen. Ferner berücksichtigt unser Projekt auch die Zielebene von Jugendarbeit. So werden grundlegende Handlungsorientierungen ausgewiesen und bezogen auf einzelne Kernaktivitäten, die die praktische medienpädagogische Arbeit typischerweise kennzeichnen, Arbeitsziele beschrieben. Mit ersten Arbeitsergebnissen auch zu den „Medienpädagogischen Angeboten“ ist ab Sommer 2003 zu rechnen. Anmerkungen: (1) Maßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen,
Maßnahmen mit Lohnkostenzuschuss und Strukturanpassungsmaßnahmen
|